Grundlagen des Entwicklungstraumas

Entwicklungstrauma ist ein tiefgreifendes emotionales und psychologisches Leiden. Neben Bindungstraumata sind diese Formen komplexer Traumata, die früh entstehen und nachhaltig wirken.

Insbesondere in den ersten acht Lebensjahren ist die geistig emotionale Entwicklung eines Kindes bedeutsam für unser Erleben als Erwachsene. In dieser Zeit formt und bildet sich unser Charakter, unsere Beziehungsfähigkeit, unsere Frustrationstoleranz, unsere Resilienz und viele weitere Aspekte, die uns als Mensch ausmachen. Umso sensibler sind hier auch die Auswirkungen der Einflüsse, die wir tagtäglich erfahren. Entwicklungstraumata sind frühkindliche Erfahrungen, die langfristig Auswirkungen auf uns als Erwachsene haben. Es unterscheidet sich von anderen Formen des Traumas durch seine Entstehung und seine langfristigen Effekte auf unsere Entwicklung und letztendlich unser Verhalten. Doch woran erkenne ich Folgen und woran merke ich, dass ich betroffen bin?

In meinem letzten Beitrag über: Bindungstrauma – bin ich betroffen?, habe ich schon versucht, einen Überblick über so ein komplexes Thema zu geben. Eine so sensible und vielschichtige Frage, die ich hier nicht versuche in seiner Vollständigkeit zu beschreiben. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit in Hinblick auf diese Komplexität und Sensibilität, möchte aber wichtige Aspekte teilen, um Betroffenen und ihren Angehörigen eine Orientierung und Unterstützung zu geben. Entwicklungstrauma ist ein tiefgreifendes und oft lebenslanges Leiden, welches bei entsprechender Diagnose professionelle Hilfe benötigt. Beratung und Coaching ersetzen keine Therapie, die bei begründeten Diagnosen in Anspruch genommen werden sollte.

Was ist ein Entwicklungstrauma?

Entwicklungstrauma tritt auf, wenn Kinder wiederholt und über längere Zeiträume hinweg traumatischen Stress, Vernachlässigung oder Missbrauch erleben. Im Gegensatz zu akutem Trauma, das durch ein einzelnes schockierendes Ereignis verursacht wird, entsteht Entwicklungstrauma durch anhaltende und chronische Belastungen, die die normale Entwicklung des Gehirns und der Psyche beeinträchtigen.

Entwicklungstrauma und ihre Folgen können als diese oftmals im Nachhinein nicht erkannt werden, sind sie doch Teil unserer Identität und unseres Selbst. Diese Realität zu reflektieren und in Frage zu stellen, kann eine potentielle Gefahr darstellen, sichert sie doch unsere Sicht auf die Welt, unsere Grundüberzeugungen und emotionalen Schutzmauern.

Da Entwicklungstrauma meist nicht auf ein Ereignis zurückzuführen ist, sondern die Welt in der wir aufwachsen und unsere Beziehungserfahrungen Ursprung dieser sind, sind Ursachen nicht so leicht zu identifizieren.

Unterschied zu Bindungstrauma

Da Bindungs- und Entwicklungstrauma oftmals nicht so klar voneinander zu unterscheiden sind, lohnt es sich auch einmal in meinen Artikel Bindungstrauma bin ich betroffen? zu schauen. 

Entwicklungstrauma können aus Bindungstrauma entstehen, da im Grunde genommen Entwicklung und Bindung einander bedingen. Nur eine als sicher empfundene Bindung macht es erst möglich, dass wir uns entwickeln können. Daher sind beide genau genommen als ineinander greifende Erfahrungen zu verstehen. Bei Entwicklungstrauma werden Reifeprozesse beeinflusst, die wiederum unsere Beziehungsfähigkeit bedingen. Bei konkreten Bindungstrauma erleben wir Beziehungen als ambivalent. Sie sind für uns Quelle und Ort von Gefahr und Sehnsucht gleichermaßen.

Entwicklungstrauma
Entwicklungstrauma

Bei Entwicklungstrauma können neben unseren Beziehungen auch unsere Gesundheit und unser körperliches sowie emotionales Wohlbefinden leiden. In beiden Fällen ist unser Selbstgefühl nicht im Vertrauen, sucht nach Orientierung durch innere und äußere Kontrolle, wiegt sich in sicheren Bahnen der Selbstabwertung oder übermäßigen Aufwertung, ist immer auf der Suche nach Vollkommenheit, was uns in unserer Lebendigkeit einschränkt. 

Entwicklungstrauma: Symptome und Anzeichen

Symptome im Überblick

Die Symptome von Entwicklungstrauma sind vielfältig und betreffen sowohl die emotionale als auch die körperliche Gesundheit. Sie können umfassen:

  • Chronische Angst und Unsicherheit
  • Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen
  • Geringes Selbstwertgefühl und Selbstzweifel
  • übertriebene Selbstaufwertung
  • Emotionale Instabilität und plötzliche Stimmungsschwankungen
  • Schwierigkeiten mit der Konzentration und Aufmerksamkeit
  • Schlafstörungen und Albträume

Entwicklungstrauma: Spezifische Symptome Erwachsene

Bei Erwachsenen zeigen sich die Symptome von Entwicklungstrauma oft in Form von:

  • Schwierigkeiten, vertrauensvolle und stabile Beziehungen aufzubauen
  • Übermäßiger Perfektionismus oder das Bedürfnis nach Kontrolle
  • Chronische Übererregung oder Hypervigilanz
  • Suchtverhalten oder andere selbstschädigende Verhaltensweisen
  • Schwierigkeiten, Emotionen zu regulieren und auszudrücken

Entwicklungstrauma: Körperliche Symptome

Entwicklungstrauma kann auch eine Reihe von körperlichen Symptomen hervorrufen, darunter:

  • Chronische Schmerzen und Muskelverspannungen
  • Magen-Darm-Beschwerden (hierzu lies auch gerne meinen Artikel Magen-Darm Psyche)
  • Herzrasen und Atembeschwerden
  • Erschöpfung und Müdigkeit
  • Störungen des Immunsystems, die zu häufigen Erkrankungen führen

Heilungsprozess von Entwicklungstrauma

Der Heilungsprozess von Entwicklungstrauma ist ein Reifeprozess, der unsere ganze Bereitschaft, Geduld und professionelle Unterstützung erfordert. Unvollkommen abgeschlossene Reifeprozesse in unserer Kindheit und Jugend geben uns nachhaltig als Erwachsene das Gefühl, nicht richtig zu sein und es nicht oder nie richtig machen zu können.

Diese tiefen Verletzungen und unsere gebrochenen Herzens erfordern sensible und schrittweise Zuwendung in einem als sicher empfundenen Rahmen. 

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, ein Gegenüber zu haben, das mir ein Gefühl des Gesehen- und Verstandenwerdens gibt. Daher ist eine traumasensible Begleitung unerlässlich. Das bedeutet, dass ein Prozess den Zustand deines Nervensystems berücksichtigt und bedürfnisorientiert ist, kein Druck aufgebaut wird, DU in deinem Prozess Entscheidungen triffst, es Möglichkeiten gibt, aber niemals Ultimate, nicht auf der Verhaltensebene verändert wird, sondern deine Kapazität erweitert werden sollte. Diese Grundsätze dürfen in jede Form der Begleitung, ob für dich selbst oder im professionellen Rahmen einfließen. Neben den klassischen Therapien finden traumaspezifische Formen ihren Platz in der modernen Psychotraumatologie und Trauma-Psychoneuroimmunologie, der Forschung rund um Trauma.

Methoden zur Heilung von Entwicklungstrauma

  • Traumatherapie: Spezialisierte Therapieansätze wie EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), SE (=Somatic Experiencing) und NARM (=neuroaffektives Beziehungsmodell) helfen, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten und die emotionale Stabilität wiederherzustellen.
  • Achtsamkeit und Meditation: Diese Techniken können helfen, Stress abzubauen und das emotionale Gleichgewicht zu fördern.
  • Körperorientierte Therapien: Yoga, Tai Chi und andere körperbasierte Ansätze unterstützen die Integration von Körper und Geist und fördern die Selbstheilung.
  • Lebensstil Begleitung: bewusste Ernährung und Bewegung fördern Stressresilienz und Körperbewusstsein

Schock- und Entwicklungstrauma auflösen

Um Schock- und Entwicklungstrauma zu lösen, ist es wichtig, das Nervensystem zu beruhigen und die emotionale Regulation zu verbessern, indem die emotionale Kapazität erweitert wird. Zustände nicht weg zu regulieren, sondern die Fähigkeit, diese auszuhalten, ermöglicht uns selbstwirksam zu werden, unsere Emotionen händeln zu können und somit lebendiger zu werden.

Der allgemeine Trend, besonders unser Nervensystem zu betrachten, zeigt wieder mal nur einen Aspekt unseres komplexen Seins und wird nicht der emotional geistigen Verarbeitung gerecht.

Auch die emotionale Vervollständigung nicht abgeschlossener Erfahrungen und das Auflösen unserer Identifizierungen basierend auf Scham und Schuld sind genauso wichtig wie das Einbeziehen unseres Körpers.

Entwicklungstrauma
Entwicklungstrauma

Therapeutische Ansätze, die darauf abzielen, die Verbindung zwischen Körper und Geist zu stärken, sind hierbei besonders hilfreich. Das Leben mit all seinen Herausforderungen wieder managen zu können, bedarf nicht nur Übungen, um Stress abzubauen, sondern ein genaues Hinschauen und Auflösen unserer Überlebensstrategien.

Ich arbeite nach den Prinzipien des NARM Modells, welches die Lebendigkeit und das Vertrauen ins Leben wiederherstellt und den Körper mit einbezieht. Das, was ich als wichtig empfinde und mit dir gemeinsam entwickeln möchte ist, deine Kapazität zu erweitern, hin zu mehr Selbstwirksamkeit, gemeinsam unvollständig verarbeitete Emotionen zu vervollständigen und deine Strategien bewusst zu machen und aufzulösen. Wenn du spürst, dass du diese nicht mehr brauchst, kann sich endlich dein lebendiges Ich zeigen. Wichtig dafür ist eine tragfähige, als sicher empfundene Beziehung zwischen Klient und Therapeut/Begleiter/Coach. Daher ist es für mich unumgänglich, dass wir uns in einem kostenlosen Call kennenlernen. 

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, wie wichtig es ist, Themen und Anliegen sensibel und schrittweise zu begleiten, um einer Retraumatisierung vorzubeugen. Im Mittelpunkt stehen hier die Erfahrungen und auch Ausbildungen des Begleiters, die es ihm oder ihr ermöglichen, diese Verantwortung tragen zu können. Daher möchte ich dir empfehlen auf Traumasensibilität in den Angeboten zu achten.

Wenn du dir eine traumainformierte Begleitung wünscht, lerne mich und meine Arbeit gerne in einem unverbindlichen Call kennen.

Langfristige Auswirkungen und Management

Entwicklungstrauma kann langfristige Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit haben. Dazu gehören anhaltende Schwierigkeiten in Beziehungen, chronische Gesundheitsprobleme und ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen. Wichtig ist mir hierbei, dass chronisches Leiden ärztlich abgeklärt werden sollte und einer professionellen Therapie bedarf. Was sich aus Erfahrung als wirksam zeigte, ist Hilfe anzunehmen und es ganzheitlich anzugehen. 

  • Langfristige Therapie: Regelmäßige therapeutische Unterstützung kann helfen, anhaltende Symptome zu bewältigen und die Lebensqualität zu verbessern.
  • Selbstfürsorge: Ein bewusster Lebensstil, der ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung umfasst, kann die Resilienz stärken.Lies gerne hierzu Ernährung für die Psyche.
  • Unterstützende Netzwerke: Der Austausch mit anderen Betroffenen und die Unterstützung durch Freunde und Familie sind essentiell für den Heilungsprozess.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal mein Mitgefühl ausdrücken für all diejenigen,die sich hier als Betroffene oder Angehörige wiederfinden. Ich möchte hier einen Beitrag leisten, der als erste Orientierung gelten kann. Wenn du dich in einer Notsituation befindest, solltest du Beratungsstellen für Menschen in Not kontaktieren.

Eure Lara



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